Publikumsliebling Nadja Tiller mit 93 Jahren gestorben
Nadja Tiller und damit einer der großen Stars des deutschsprachigen Nachkriegskinos ist tot. Die Wienerin starb in der Nacht auf Dienstag in ihrer Wahlheimtag Hamburg. Damit schließt sich der Lebensweg der Schauspielerin, die am Höhepunkt ihrer Karriere als eine der erotischsten Frauen des europäischen Films galt und 1958 mit der Rolle der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt in "Das Mädchen Rosemarie" cineastische Unsterblichkeit erlangte.
Über 120 Filme und Serien finden sich in der langen Karriere der Schauspielerin. Dabei hatte Nadja Tiller, die am 16. März 1929 in Wien als Tochter einer Opernsängerin und eines Schauspielers geboren wurde, ursprünglich ganz andere Pläne, als in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Ihr Herzenswunsch war stattdessen die Ausbildung zur Friseurin, wie sie einst erzählte: "Meine Großeltern hatten in Danzig einen Friseursalon. Das erste Haus am Platze. Der war toll und hat mir unglaublich imponiert. Ich wollte Friseurin lernen, um diesen Salon zu übernehmen." Am Ende durchkreuzte der Zweite Weltkrieg ihre Pläne.
Das Jahr 1949 wurde dann zum entscheidenden in der Karriere von Nadja Tiller, gewann sie hier doch die Wahl zur ersten Miss Austria. Dabei hatte sie zu dieser Zeit bereits den Weg in Richtung Schauspielerei eingeschlagen, studierte sie doch ab 1945 am Max-Reinhardt-Seminar und bis 1949 an der Musik- und Schauspielakademie. Im selben Jahr wurde sie überdies Ensemblemitglied am Theater in der Josefstadt.
Das wirkliche Biotop der Nadja Tiller war jedoch die Kinoleinwand. Sie konnte zugleich Vamp und Grande Dame verkörpern und machte damit auch die europäische Branche auf sich aufmerksam. Sie hätte statt Anita Ekberg im Trevi-Brunnen ("La Dolce Vita") baden, an der Seite von Marcello Mastroianni spielen ("La notte") und mit Alain Delon ("Rocco und seine Brüder") drehen können. Doch Tiller lehnte all diese Angebote ab. Sie hätten sie zum Weltstar machen können. "Ich war leider nicht klug genug und zu dumm und habe dann drei sehr berühmte Filme nicht angenommen", sagte Tiller einst der dpa.
Die Liste ihrer Engagements kann sich dennoch sehen lassen. Sie arbeitet international, spielt an der Seite von Jean Paul Belmondo ("Der Schlaufuchs"), Anita Ekberg und O. W. Fischer ("El Hakim"). Besonders in Erinnerung blieb ihr ein Film aus dem Jahr 1958: "Mein Lieblingsfilm ist ohne Frage der, den ich mit Jean Gabin ("Im Mantel der Nacht", Anm.) gemacht habe." Gabin sei ein großartiger, präziser und sehr kollegialer Schauspieler gewesen.
Am Filmset fand sie nicht nur Ruhm, sondern auch ihren Walter. 1956 heiratete sie den deutschen Schauspieler Walter Giller ("Die Drei von der Tankstelle"). Die beiden galten lange als das Glamourpaar der Wirtschaftswunderzeit. 55 Jahre lang waren die beiden verheiratet, bevor er 2011 mit 84 Jahren starb. Als das Geheimnis ihrer langen Ehe bezeichneten beide viel Toleranz.
Walter Gillers Tod bedeutete zugleich nicht das Ende der Karriere von Nadja Tiller, die auch danach Engagements annahm - wenn auch kleinere. 2013 nahm sie mit dem Schweizer Schauspieler Fritz Lichtenhahn, der bis zu seinem Tod ebenfalls in Tillers Hamburger Seniorenresidenz wohnte, das preisgekrönte Hörspiel "Traumrollen" auf. Und mit 87 Jahren war Tiller in der "My Fair Lady" in Braunschweig auf der Bühne in einer kleinen Rolle zu erleben, bevor sie dem Theater endgültig Adieu sagte.
Anlässlich ihres 90. Geburtstages im Jahr 2019 blickte die Wienerin zufrieden auf ihr Leben zurück. "Ich habe in meinem Leben eine Menge Glück gehabt - nicht zuletzt, da ich einen besonders netten Mann hatte. Ich bin einfach zufrieden!"
Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) würdigte Tiller als "Inbegriff des deutschsprachigen Films". "Trotzdem ihr eine internationale Karriere in Aussicht gestellt war, blieb sie der deutschsprachigen Film- und Theaterlandschaft und ihrem Publikum treu", so Mayer. Tiller wurde u.a. mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Der ORF zeigt am Sonntag, 14.30 Uhr, ORF 2 "Rosamunde Pilcher - Wind über dem Fluss" in memoriam Nadja Tiller.
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